Agoraphobie

Ein Fall von Agoraphobie

Die homöopathische Behandlung einer Angsterkrankung

 

Agoraphobie (Platzangst), ist die Angst, die sich einstellt, wenn die betroffenen Personen sich auf öffentlichen Plätzen und Straßen aufhalten oder die schützende Wohnung zu verlassen. Sie gehört zu den Angsterkrankungen, die im vergangenen Jahrzehnt besonders um sich gegriffen haben.

 

Bemerkenswert ist, dass diese Angst auftritt, wenn die Patienten allein sind und sich ohne Schutz wähnen. Sind Partner oder andere Vertrauenspersonen anwesend, schwindet die Angst. Im Allgemeinen bemerkt der Außenstehende dann nichts Auffälliges an der betroffenen Person. Ein Vater sagt: „Wir gehen in ein Restaurant, und sie sitzt da, so wie wir auch, eben ganz ruhig. Sie lächelt auch mal und redet mit uns. Und ich denke: Die hat doch gar
nichts, die ist doch ganz normal.“

Diese Form von Angst gestattet natürlich Rückschlüsse auf die Persönlichkeitsentwicklung. Nach meiner Erfahrung sind solche Personen sehr unsicher und überhaupt nicht von sich überzeugt. Sie glauben nicht, dass sie ein selbstverständliches Anrecht auf Zuwendung haben. Und so benutzen sie die Erkrankung, um die erstrebte Zuwendung zu bekommen, ohne sie explizit einfordern zu müssen. Denn dazu fehlt es ihnen natürlich auch an Selbstbewusstsein.

Die heute gängige Theorie, eine Phobie sei erlernt und man könne sie somit durch eine Verhaltenstherapie auch wieder verlernen, kommt mir falsch und, nebenbei gesagt, nicht sehr menschenfreundlich vor.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine solche Krankheit wie ein Erziehungsfehler einfach abgestellt werden kann. Im Pschyrembel wird ergänzend ausgeführt, das Partner oder Familienangehörige häufig in so ein Verhaltenssystem eingebunden seien und damit die Phobie auf rechterhielten. Soll das wohl bedeuten, sorgenvolle Eltern, Freunde usw. behinderten einen Prozess des Verlernens und damit die Gesundung des Patienten durch ihre Zuwendung? Und was wäre denn die Alternative für die betroffenen Menschen?

So absurd dieser Ansatzpunkt mir auch vorkommt, ist er doch die Grundlage einer ganzen Reihe von schulmedizinischen Therapieansätzen von der Anwendung von Psychopharmaka bis zu einer ganzen Palette psychotherapeutischer Therapieverfahren. Sie setzen ausschließlich auf die psychische Situation des Betroffenen und ignorieren die körperliche Befindlichkeit mehr oder weniger völlig.

Und wir wissen doch, dass die Krankheiten des Geistes nicht ohne die Ursachen (Störungen) auf körperlicher Ebene und die Probleme im sozialen Bereich zu lösen sind.

Die Krankheit „an sich“ gibt es eben nicht. Es ist ein Fehler, sie losgelöst von dem Kranken, gewissermaßen als eine selbstständige Einheit zu betrachten und u.a. die Frage zu ignorieren, wodurch der Mensch krank geworden ist.

Die Homöopathie erfasst die Gesamtheit der Symptome des Betroffenen sowohl auf der physischen und funktionellen Ebene, als auch auf der Gefühls-, bzw. geistigen Ebene in seinem sozialen Kontext.

Der Fall

Anamnese

Frau X ist 38 Jahre alt. Sie macht einen extrovertierten, überaktiven Eindruck. Dementsprechend ist sie beredt und schildert ihre Situation sehr plastisch, verliert sich aber auch, so dass der Behandler Mühe hat, die Schilderungen zu ordnen. Selbst wenn sie sich sicher fühlt, hat sie Angst vor plötzlichen Dingen, schlechten Nachrichten etwa. Sie ist sehr sensitiv, dünnhäutig und in der Grundtendenz etwas ärgerlich. Sie ist auch sehr „pingelig“, d. h. sie ekelt sich schnell.

Obwohl sie Schutz sucht, mag sie allzu große Nähe nicht. Sie kann auch Trost nicht so einfach annehmen. Er verschlimmert die Situation. Sie denkt, dass sie Zuwendungen nicht wert ist. Aber sie ist doch stets unrealistisch. Potenzielle Partner stößt sie immer wieder vor den Kopf, weil sie versucht, eine solche Beziehung zu dominieren.

Ihre Haut ist trocken. Die Kopfhaut juckt. Nach dem Duschen muss sie sich eincremen, sonst juckt die Haut. Sie kann nicht gut stehen. Langes Stehen verursacht Rückenschmerzen. Sie verträgt keine Milch (Durchfall, Sodbrennen). Ganz generell hat sie eine ganze Palette an Magen- und Darmfunktionsstörungen.

Sie hat Phasen der Atemnot. Dann wacht sie nachts auf und muss sich setzen. Ihr Schlaf ist extrem störanfällig, bei der geringsten Störung wacht sie auf. Sie schwitzt schnell. Des Nachts steckt sie die Füße aus dem Bett, weil sie so heiß sind.

Sie hat Herzrasen, Herzstechen, Herzstolpern nicht nur, wenn die Anfälle sie beherrschen. Es können solche Symptome auch eintreten, wenn sie eine Mahlzeit auslassen muss. Dann ist sie gar nicht gut drauf.

Ihre Beschwerden (Agoraphobie) begannen etwa im Alter von 22 Jahren. Es gab damals eine persönliche Krise (Trennung vom damaligen Freund). Sie erinnert sich, dass unmittelbar danach ein erster Angstanfall erfolgte. Plötzlich und unmittelbar.

Sie schildert Symptome wie: Schwindel, Kopfdruck, Mundtrockenheit, Herzflattern, das Gefühl, ohnmächtig zu werden, wacklige Beine, Übelkeit und das Gefühl, keinen richtigen Boden unter den Füßen zu haben. Das Besondere sei, dass sich dieser Zustand rasend schnell entwickle. In solchen Situationen habe sie das konkrete Gefühl, sterben zu müssen und eine starke Angst, dass es aus dieser Situation kein Entkommen gäbe.

Sie hat eine Strategie entwickelt, Situationen, in denen schon einmal ein solcher Kontrollverlust erlebt wurde, zu meiden. Sie geht arbeiten. Die Firmenräume sind ihr vertraut und jagen ihr keine Angst ein. Den täglichen Ablauf, Arbeitsweg bewältigen und Gänge nach draußen (einkaufen, zum Friseur gehen usw.) organisiert sie so, dass immer ein Kollege oder eine Kollegin mitgeht.

Sie hat mehrere ärztliche Therapien hinter sich, die in einer Verhaltenstherapie mündeten, bei der sie, durch einen Betreuer begleitet, allen Situationen des Alltages gegenüber gestellt wurde. Da der Betreuer immer in Sichtweite war, konnte sie die Aufgaben ohne größere Probleme bewältigen. Ihre Angst, wenn sie allein war, hat das nicht beeinflusst.

Therapie

Meine Behandlung beginnt auf Grund der o. g. Symptome mit einer Gabe Sulfur C 30.

Nach 14 Tagen machte ich eine Bestandsaufnahme. Die Haut juckt nicht mehr. Der Schlaf ist besser. Aber die Anfälle von Agoraphobie hat sie weiterhin, und sie sind ihr irgendwie bewusster geworden.

Zur weiteren Behandlung bitte ich sie, täglich 3x eine Gabe (jeweils fünf Tropfen / vor Gebrauch 10x verschütteln) Aconitum C6 (Dil.) zu nehmen (siehe auch Tabelle 1).

Ich vereinbare einen ständigen Kontakt für den Fall, dass sich Veränderungen ergeben. Gleichzeitig bitte ich sie, die Arznei abzusetzen, wenn eine spürbare Besserung in ihrem Angstverhalten auftritt. Nach drei Wochen teilt sie mir mit, dass sie, nachdem sie zunächst den Mülleimer ohne Not heraustragen konnte, nun auch Bus und U-Bahn ohne Begleitung bewältige. Sie habe schon noch Ängste, die sie aber jetzt aushalte. Sie müsse aber jetzt zu einer Kur, weswegen sie die Behandlung jetzt erst einmal abbräche.

Nach einem halben Jahr ruft sie mich an und berichtet, dass ihr Zustand wieder wie zu Beginn der Behandlung sei. Nach meiner Anamnese ist klar: Es hat sich wirklich der alte Zustand wieder eingestellt. Jetzt verordne ich von Beginn an Aconitum C 6 (Dil.). Nach 14 Tagen hat sich ihr Zustand wieder gebessert. Ich setze Aconitum ab und verabreiche nach Ablauf von drei Wochen eine Gabe Sulfur C 30.

Ihr Zustand festigt sich jetzt. Sie kann wieder allein aus dem Haus gehen, tut dies aber noch mit einer gewissen Furcht. Ich vereinbare den nächsten Termin in sechs Wochen. Zum Termin erscheint sie und berichtet von einer Verschlimmerung auf Sulfur, die aber wieder abgeklungen ist. Ich empfehle, Aconitum stets bei sich zu tragen, um bei wieder auftretenden Anfällen diese Arznei akut einzusetzen und bitte sie im Falle erneuter Verschlimmerung sofort anzurufen. Die Möglichkeit, auf akute Anfälle direkt einzuwirken, beruhigt sie. Soweit ich weiß, hat sie diese Möglichkeit bisher nicht in Anspruch nehmen müssen.

Diese Symptome sind besonders wichtige Charakteristika von Aconitum napellus

Beschwerden durch Schreck,

Furcht vor drohendem Tod

chronisch rezidivierendes Paniksyndrom (in Folge von Schreck), charakterisiert durch: Furcht vor dem Tod, Hitzewallungen, Herzklopfen, Arrhythmien, Taubheit einzelner Körperteile, Dyspnoe.

Phobien: Klaustrophobie, Agoraphobie, Unfälle, Dunkelheit, Menschenmengen, Flugzeuge, Herzerkrankungen, Apoplexie.

Ängstliche Ruhelosigkeit

Plötzliches hohes Fieber mit Ruhelosigkeit, Todesfurcht, trockener, heißer Haut; oder: hohes Fieber mit Gleichgültigkeit, Erschöpfung, Schläfrigkeit, Durstlosigkeit und benommenem Gesichtsausdruck

agg. Trockenheit, Kälte (oder Überhitzung).

agg. Dämmerung und/oder Mitternacht bis 4 Uhr morgens.

Hinweis

Ich möchte betonen, dass ich die Mittel Sulfur und Aconitum napellus nur auf Grund der Anamnese für diese Patientin auswählte.

Die generellen Erfahrungen mit diesen beiden Mitteln weisen auf folgenden Umstand: [Zitat]:

„Aconitum und Sulfur sind komplementär, letzteres vollendet oft die von Aconitum eingeleitete Heilung und verhindert Rezidive“

In direktem Bezug auf diese Erkrankung finden Sie natürlich weitere Mittel wie Arnica, Calcium carbonicum, Kalium phophoricum, Germanium metall., Anacardium orientale, Anthemis nobilis, Anhalonium lewini und andere mehr.

 

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Stand: Montag, 11. Juni 2018